Gutachterliche Stellungnahme betreffend Denkmalschutz

ORF ZENTRUM KÜNIGLBERG

Teil 7 – Funktionale Belegung / Typologische Überlegungen

Eine andere Frage, die im Zusammenhang mit der Beurteilung des ORF Zentrums zu stellen ist:
wie ist das Gebäude aus dem Stand der Zeit (1969–1976) zu beurteilen?

Wie planten Architekten in Österreich und international zu dieser Zeit? Wie werden Fragen von Flexibilität, innerer Tragstruktur, Bürotypologie, Haustechnik, Integration von Technik im Allgemeinen verstanden?

 

In Österreich gibt dazu ein Artikel aus dem Jahre 1962 in „Der Aufbau“ Aufschluss, in dem diese Fragen erörtert werden. Hier wird eine ganz intensive Diskussion über Büroformen geführt, die Auswirkungen von Klimatisierung, Haustechnik, Lüftung und anderen technischen Infrastruktureinrichtungen auf die architektonische Ausgestaltung eines Hauses untersucht.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass für einen Architekten im Jahre 1962 es quasi eine Selbstverständlichkeit ist, dass ein Büro- und Industriegebäude flexibel genutzt werden können muss, dass die Tragstruktur von raumtrennenden Elementen getrennt werden können muss.

Dass es also Grundvoraussetzung ist, dass sich die innere Bürostruktur ändern können muss und sich wahrscheinlich im Laufe der Zeit des Gebäudes mehrfach ändern wird.

Die haustechnischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Klimatisierung und Lüftung sind 1962 ebenfalls technisch ausformuliert. Es stellen sich die Fragen der Wegführungen dieser technischen Infrastruktur und wie diese Wegführungen in das architektonische Konzept integriert werden können.

Vergleichsbeispiele Österreich

Als Vergleichsbeispiel soll hier das Gebäude des Fernmeldezentrums im Arsenal von Architekt Pfeffer dienen. Auch hier ein Gebäude mit hohen Ansprüchen an die technische Infrastruktur. Ein innovatives Gebäude, das konstruktiv mit vorgespannten Decken und Unterzugssystemen, die einen freien Verlauf der Haustechnikleitungen gewährt, aufwartet.

Das Fernmeldezentrum ist ein Gebäude, das ebenfalls ganz stark von der Technik geprägt ist und daher auch gut vergleichbar ist.

Mit seiner hohen technischen Infrastruktur innerhalb des Gebäudes, die Ausprägung der Technik und die Verteilung der Technik im Gebäude haben das architektonische Bild entscheidend geprägt.

Eine vorgespannte Deckenkonstruktion bietet die Möglichkeit effizient zu bauen. Man hat sich auch ein Tragsystem überlegt, in dem die äußeren Sekundärunterzüge komplett entfallen, damit die Haustechnik ungehindert durchführen kann.

Dazu gibt es auch Belegungspläne und Belegungsüberlegungen. Diese Belegungsüberlegungen reichen von einem klassischem zweihüftigen Büro mit Gang und Mittelzone, Zellenbüros bis hin zu Großraumbüros, sowie einer Büroart, die man heute als Kombibüro bezeichnen würde bzw. Büros, die Projektgruppenartig organisiert sind. Diese Büros sind quer durch das gesamte Gebäude „durchgesteckt“ und beinhalten die Projektteams für die Fernmeldetechnik.

Aus den Aufzählungen und Überlegungen von Hugo Potyka in dem Artikel des „Der Aufbau“ aus wird klar, dass die für das Arsenal dargestellten Fragen und Lösungen jene Fragen sind die der zeitgenössische Architekt 1962 selbstverständlich zu beantworten hat.

 

Österreichische Architekten waren sonst auch nicht ganz unbeteiligt auf dem Gebiet der Büroentwicklung; zum Beispiel das BMW-Gebäude von Karl Schwanzer aus dem Jahre 1973/74 war sowohl von der funktionalen Überlegung als auch von der Technik des Gebäudes denkend, eines der wegweisenden Gebäude dieser Jahre.

Das Philips Haus in Wien, von Karl Schwanzer aus dem Jahre 1962–1963 hat ebenfalls konstruktive Limits ausgelotet und moderne Bürolandschaften in das Haus integriert:

Hans Puchhammer zum Beispiel hat bei seinem Büro- und Verwaltungsbau für Grothusen Elektroakustik (1970–72) ebenfalls vorgefertigte Systeme in Sichtbeton zur Ausführung gebracht und offene Bürolandschaften darin integriert.

Vergleichsbeispiele International

Um einen internationalen Vergleich zu haben, werden wir zwei Gebäude von Norman Foster analysieren, die technologisch vergleichbar und im selben Zeitraum geplant und errichtet worden sind:

Zuerst das Gebäude von Faber & Dumont, geplant/errichtet von 1971 bis 1975. In dem neuen „suburbanen“ Standort der Versicherungsgesellschaft Faber & Dumas waren zwei Wertekategorien wichtig:

  • erstens die technologische Komponente, ein Konzern mit großen Mengen an Daten und technischer Infrastruktur benötigt ein Gebäude, dass die voraussehbaren technologische Veränderungen mitmachen kann und
  • zweitens ein Gebäude, dass für diese Menge an Mitarbeitern (ca. 1000) die notwendige Bürolandschaft und soziale Infrastruktur bieten kann.

Die Antworten dazu:

Total flexible Grundrisse mit einem Stützraster von 14,0 m, die Entwicklung eines Doppelbodens und einer installierbaren Decke stellen sicher, dass jeder Ort in dem Büro technisch versorgt werden kann.

Die zweite Frage, wie kann ich meine Projektgruppen, meine Bürogruppen organisieren. Das Gebäude ist quasi ein Vorreiter von Bürolandschaften. Die Mitarbeiter haben diverse Zonen, die danach kreiert werden, welche Form von Arbeitserledigung sie gerade bevorzugen.

Ein zentrales Atrium in der Mitte mit Rolltreppen bildet den „öffentlichen Marktplatz“, der den Schwimmbad im Erdgeschoß mit dem Dachgarten und dem Restaurant verbindet. Der öffentliche Dachgarten dient als Erholungsraum.

Die äußere Hülle des Gebäudes ist mit einer punktgehaltener Verglasung umspannt.

Eine ähnliche Herangehensweise hat Foster für das IBM Pilot Office, 1970/71, gewählt.

Die Antwort auf die Frage nach technologischer Ausstattung für den Computerkonzern mitten im Grünen war:

Doppelböden und eine große Decke darüber. Die frei installierbare Fläche als Sinnbild von Flexibilität, eine Art von Pavillon mit Blick ins Grüne

Das übergeordnete Dach hat strategische Ausschnitte zur Belichtung und für Atrien bekommen, die Bürolandschaft darunter ist völlig flexibel, an jeder Stelle des Gebäudes kann man sich an die infrastrukturelle Versorgung anhängen.