Die Geschichte der

KÄRNTNER STRASSE

Die Kärntner Straße ist eine der wichtigsten Geschäftsstraßen in Wien und ist als Identitätsträger für das „öffentliche Gedächtnis der Stadt“ von besonderer Bedeutung.

Aus den zahlreichen Postkartenmotiven der Kärntner Straße wird ersichtlich, welche zentrale Stellung die Kärntner Straße und ihre Geschichte im Bewusstsein der Wiener Öffentlichkeit und ihrer Rezeption der Stadt einnimmt.

Dieses „Bild“ der Kärntner Straße ist eines von der Historie und ihren dazugehörigen Erzählungen geprägtes, einige dieser Bilder und ihre „Mythen“ haben nur mehr wenig mit der heutigen Realität der Kärntner Straße zu tun.

Die Kärntner Straße mit ihrer wechselhaften Geschichte ist daher ein „Ort“, in dem die Öffentlichkeit ihre „Erinnerung eingeschrieben“ hat und an dessen Identität sie festhält.

Galerie

Die Entstehung

Die Kärntner Straße verdankt Namen und Entstehung dem Wachstum Wiens infolge der 1192 erfolgten Vereinigung der südlich angrenzenden Länder Steiermark und Kärnten an die alte Ostmark.

Der sich daraus ergebende wirtschaftliche Aufschwung führte eine Erweiterung der Stadt nach Süden herbei, sodass die 1257 erstmals urkundlich erwähnte Straße – Strata Carinthianorum – bereits 1219 im Stadtgebiet lag.

Die Kärntner Straße war eine der Hauptverkehrsadern der Neustadt und Verbindung über Körnten nach Triest.

In ihren Anfängen war die Kärntner Straße daher eine Handels- und Pilgerstrasse, in ihrer unmittelbaren Umgebung hatten kirchliche Einrichtungen für die Pilger ihren Sitz, hier lagen auch etliche Herbergen, die später zu Gasthöfen und Hotels wurden.

Neben diesen Einkehrhäusern und geistlichen Häusern gab es aber auch Gewerbetreibende in der Kärntner Straße.

In der Stadtkarte aus 1547 wird ersichtlich, wie die Kärntner Straße Richtung Süden die Stadt erschließt. (Anmerkung: Himmelsrichtungen in alten Karten entsprechen nicht immer heutigen Konventionen – Norden ist hier unten)

Die große Wandlung

Eine große Wandlung vollzog die Kärntner Straße in der zweiten Hälfte des XIX. Jh., eine Wandlung zu einer Straße mit eleganten Geschäften, zu einer Stätte des beschaulichen Flanierens durch die Stadt.

Die Kärntner Straße wurde zur Verbindung der neu geschaffenen Ringstraße mit den früheren Lieblingsplatz der vornehmen Welt, dem Graben.

Diese Wandlung von einer Pilger- und Handelsstraße zu einer mondänen, eleganten Geschäftsstrasse wurde in mehreren Schritten vollzogen.

Die Kärntner Straße wurde beginnend mit dem Jahre 1873 von 9m auf 17m verbreitert.
Diese Verbreiterung wurde durch vollständige Demolierung der westlichen Seite der Kärntner Straße ermöglicht.

Beginnend mit Häuserblock Nummer 28-30, wurden in Folge zwischen 1875-1878 die Häuser Nummer 6, 12, 17 und 38, in den Jahren 1883-1884 die Häuser 5, 7, 13-15, 25 und 26 abgebrochen. Schließlich wurde auch auf der östlichen Seite der Kärntner Straße begonnen, die Häuser abzubrechen und durch Neubauten zu ersetzen.

Durch diese „Neubauwelle“ in sehr kurzer Zeit wurde der Wandel in eine Geschäftsstraße erheblich beschleunigt. Diese „Regulierungsmaßnahmen“ betrafen aber nicht nur die Kärntner Straße, sondern auch andere Teile der Stadt (z.B. Stephansplatz, den Graben,etc.)

Durch die Neubauten veränderte sich die Maßstäblichkeit und Dimension des städtischen Blockes. Vor allem wurden die Häuser, die Stadt, die mit ihrer räumlich beengten Konzeption nicht mehr den neuen funktionellen Ansprüchen einer Großstadt im Zeitalter der Industrialisierung genügen konnte, durch Neubauten im Stile des Historismus ersetzt.

Damit findet auch ein „Umbruch“ in der Wahrnehmung der Kärntner Straße statt. Die neuen und modernen Warenhäuser verwandeln die Kärntner Straße schlagartig in jene vornehme, urbane und mehrsprachige Geschäftsstraße, als die sie heute immer noch im öffentlichen Verständnis gilt.

Georg Simmel hat schon 1903 auf die grundlegende Funktion der Waren für die Dynamisierung des urbanen Lebens hervorgehoben. „Ware gegen Geld“ löst die sonst durch Tradition und Verpflichtungen geregelten Beziehungen auf und bringt neue Entscheidungs- und Verhaltensfreiheiten mit sich.

Das „Ensemble“

Wer in diesen Tagen durch die Kärntner Straße gegangen, wird mit nicht geringer Genugthung die großartigen Fortschritte beobachtet haben, die seit kurzer Zeit in dem vormals so gefürchteten Engpaß in Erscheinung getreten sind. Es ist, als ob förmlich über Nacht eine neue Kärntner Straße entstanden wäre mit hellen, imposant verbreiterten Fahrwegen, mit prachtvollen Häusern, in deren Fenstern sich das Licht der herbstlichen Sonne anmuthig widerspiegelt, mit Trottoiren, die fast so breit sind wie früher die ganze Straße. Mit Stolz kann man sagen, dass die Kärntner Straße binnen kurzem zu den prächtigsten Stadtbildern Wiens zählen wird.“

Zitat aus einem Artikel in „Wiener Bilder“ von 1896.

Diese rasche und umfassende Neugestaltung in relativ kurzer Zeit (begünstigt durch Steuerfreistellungen) ist auch die Geburtsstunde des „Ensembles“ der Kärntner Straße.

Dieses Ensemble der Kärntner Straße ist im wesentlichen bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges unverändert erhalten geblieben.

Im Zweiten Weltkrieg

Im Zuge der Kriegshandlungen wurde die Wiener Innenstadt von zahlreichen Bomben getroffen, die auch in der Kärntner Straße etliche Häuser zerstörten.

Dieser erhebliche Verlust an Bausubstanz entstand vor allem durch den Bombenangriff am 12. März 1945, bei dem die Häuser Nr. 2, 4, 9, 16, 18, 22, 25, 29, 31, 33 und 51 beschädigt bzw. zerstört worden sind.

Durch Artillerietreffen wurden die Häuser Nr. 6, 8, 11 und 25 zerstört und der Brand vom 11./12. April 1945 zerstörte die Häuserzeile 19-33, sowie die gegenüberliegenden Häuser Nr. 12-18.

Damit gehört die Kärntner Straße zu den am stärksten zerstörten Straßenzügen der Innenstadt.

In der unten dargestellten Karte von Fred Hennings sind alle Bombentreffer in der Wiener Innenstadt nach dem Zeitpunkt der Bombardements notiert:

Durch die Bombenangriffe im Jahre 1945 werden nicht nur die Häuser in Schutt und Achse gelegt, sondern auch die Wertevorstellungen, die mit diesen Häusern und dem zugehörigen Stadtraum einhergingen.

Die Alltagsrituale des Sehens und Gesehenwerdens, des Einkaufens als Akt gesellschaftlicher Repräsentation gehen unwiederbringlich verloren.

Galerie der Kriegszerstörungen

Der Wiederaufbau

Die Zeit des Wiederaufbaues dauerte in etlichen Bereichen annähernd 10 Jahre und im Geiste des Wiederaufbaues standen natürlich gänzlich andere Aspekte im Vordergrund. Mehr als eine Million Kubikmeter Schutt war zu beseitigen, zusätzlich sind nicht alle durch Bomben getroffene Gebäude sofort eingestürzt, sondern sind erst im Laufe der Zeit abbruchreif geworden und mussten dann erst gesprengt werden.

Durch die zerstörten Dächer drang Wasser in viele noch bestehende Häuser ein, sodass es in der Folge zur Vermorschung der Holzdecken kam und deren Einsturz zur Folge hatte.

Die Beseitigung des Schuttes und die Wiederherstellung der Bauten mit den vorhandenen bescheidenen Mitteln war die Zielsetzung, ästhetische und inhaltliche Vorgaben traten dabei oft in den Hintergrund.

Dies veranlasste Bürgermeister Dr. Körner am 9.1.1948 zu folgenden Aufruf:

In letzter Zeit mehren sich die Fälle, dass die Wiederherstellung von Bauten wie auch die Veränderung von Fassaden und Portalen ohne Zustimmung der Baubehörde und oft in einer Art durchgeführt wird, die die Schönheit des Stadtbildes schwer beeinträchtigt. Die Hausbesitzer und Geschäftsleute werden daher auf die mit dem Landesgesetz vom 20. Februar 1947 erlassenen Sonderbestimmungen für den Wiederaufbau der Stadt Wien aufmerksam gemacht, wonach die Pläne für derartige Wiederherstellungen noch vor der endgültigen Ausfertigung der Baubehörde zur Überprüfung vorzulegen sind. Wer diese Vorschrift nicht einhält, hat nach § 135 der Bauordnung eine Strafe zu gewärtigen, die aber nicht von der Verpflichtung befreit, den vorschriftswidrigen Bau zu beseitigen.

Wiener und Wienerinnen! Der Anblick unserer Stadt entscheidet wesentlich über ihr Ansehen in der Welt. Die Stadt ist unser Heim und sein Gesicht kennzeichnet unser Wesen. Jeder helfe mit, unser gemeinsames Heim schön zu gestalten!

Dr. h.c. Körner
Bürgermeister

Der Wiederaufbau und der daraus langsam anschließende Wohlstand schienen neuerlich Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der Kärntner Straße als mondäne Einkaufsstrasse zu bieten, aber durch die geänderten  sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse sowie durch geändertes Konsumverhalen  ist die Aura der Kärntner Straße der Jahrhundertwende verloren gegangen.