Die ersten Beschreibungen und Skizzen von Roland Rainer erläutern seine architektonischen Grundgedanken anhand von:
- Städtebauliche Anordnung
- Räumliche Gesamtorganisation
- TV-Studio
- Konstruktion
Städtebauliche Anordnung / Topographie
In seiner „Erläuterung zur Raumdisposition vom 1. März 1968“ führt Rainer zur städtebaulichen Anordnung zwei Unterkategorien an:
- Topographie/Klima und
- Verkehr.
Die grundsätzliche Anordnung des „Hauptriegels“ und seiner Ausrichtung von West nach Ost wird zuerst sowohl mit klimatischen Bedingungen als auch mit den Aspekten der Aussicht argumentiert:
Der Küniglberg ist als Bestandteil eines von West nach Ost vom Roten Berg zur Gloriette ziehenden, weithin sichtbaren Höhenrückens den Westwinden im Sommer, wie den Ostwinden im Winter ungewöhnlich stark ausgesetzt …
Aus diesem Grund empfiehlt es sich alle hohen Gebäudetrakte mit der Schmalseite nach Westen, bzw. mit den Hauptfronten nach Süden und Norden anzuordnen. Die Gebäude gewinnen dadurch übrigens Weite, außerordentlich schöne Aussicht über Wien auf der Nordseite, ins Wiener Becken mit dem südlichen Wienerwald auf der Südseite.“
Entscheidend für Roland Rainer ist jedoch das Arbeiten mit der Topographie, das Arbeiten mit dem Berg als zentrales Anliegen, die Lage und Anordnung des Hauptriegels stellt dabei das krönende Element dar:
Ein großer Gebäudekomplex, der sich in Hauptrichtung der topographischen Formation unterordnet, indem sein auffallender, langer Trakt parallel zum Hang des Höhenrückens steht, wird in der Landschaft nicht als störender Fremdkörper, sondern als Steigerung und harmonische Bekrönung einer natürlichen Situation wirken.“
In der obigen Entwurfsskizze wird diese Grundhaltung, nämlich das Gebäude als Bekrönung des Berges zu sehen, klar zum Ausdruck gebracht.
Durch die Tatsache, dass dieser zentrale Riegel noch auf einer 3-geschossigen „Platte“ steht (in der Garagenebenen und technische Infrastruktur bzw. Kollektorgänge untergebracht sind), wird die Wirkung dieser Geste noch einmal erhöht.
Die gegensätzlichen Lösungen in der konstruktiven Durchgestaltung zwischen dem
TV-Theater und dem Haupttrakt – nämlich einerseits geschlossener Baukörper im Falle des TV-Theater und andererseits „aufgelöste“ Baukörper im Falle des Hauptriegels sollen eine „abwechslungsreiche Erscheinung“ ergeben.
Die Anwendung der beiden Konstruktionsprinzipien wird durch den spannungsvollen Gegensatz zwischen geschlossenen und aufgelösten Baukörpern eine abwechslungsreiche Erscheinung geben, die aber infolge der strengen Einbindung der Gesamtanlage in Topographie und Landschaft zu einer einheitlichen Gesamtform zusammengeschlossen wird.“
Im Modellfoto links sitzt das große TV-Studio im Zentrum und hat mit den anderen Studios noch eine gemeinsame lineare Kulissenstraße.
Durch die endgültige Lösung ist eine Überschneidung der Wege von „Backoffice“ und „Frontoffice“ verhindert worden, durch die Anlagerung des TV-Theaters an dem öffentlichen Platz ist eine klare Zugangssituation geschaffen worden und durch den Entfall des zweiten, zum Hauptriegel parallelen, Baukörper ein klar gerahmter und definierter rechteckiger, öffentlicher Platz entstanden.
Städtebauliche Sichtbezüge
Aus den verschiedenen Ansichten und Blickpunkten in der Stadt sind vor allem der Haupttrakt und das große TV-Theater mit dem davorliegenden Playback Studio die dominanten Elemente.
Da sind jene Elemente, die weit sichtbar sind und gemeinsam mit den Aufbauten der Richtfunkstation und des stark gestalteten Hörfunkteiles (nahe des Haupteinganges Würzburggasse) das optische Bild der ORF als Institution nach außen hin prägen.
Sie präsentieren das Image des ORF im Stadtbild nach außen hin und positionieren das Selbstverständnis der Medienanstalt ORF im urbanen Kontext.
Damit „bekrönen“ die Baukörper im Sinne des Entwurfes den Küniglberg und treten selbstbewusst und mit großer Außenwirkung als Symbol der Erneuerung auf.
An diesem Modell sticht sofort die Ausformung und Position des Hörfunkteiles ins Auge, hier wird die ihm zugedachte architektonische Aufgabe klar, nämlich als Symbol am Eingang zur Liegenschaft zu fungieren.
Verkehr/Erschließung Organisation
Zum Verkehr führt Rainer an, dass das Grundstück im Norden durch die Elisabethallee und im Süden durch die Würzburggasse erschlossen wird. Diese „sehr günstige Situation“ führt zu einer funktionellen Trennung der Erschließung und der Verkehrsströme:
Der dem inneren Betrieb dienende Verkehr der Übertragungswagen und sonstigen Zbringerdienste können auf der nördlichen Elisabethallee herangeführt werden, der Verkehr der Verwaltung, der Künstler, Gäste usw. auf der Südseite über die Würzburggasse mit ihrer großartigen Aussicht in das Wiener Becken.“
Durch diese Trennung ist somit klargestellt, dass es organisatorisch eine „dienende Seite“ und eine „öffentliche Seite“ des Gesamtkomplexes gibt. Die Grenze zwischen den beiden Seiten stellt der Verwaltungsriegel dar.
Der Zugang zur öffentlichen Seite erfolgt über die Würzburggasse, das „Ankommen“ auf dem großen Vorplatz mit dem spiegelnden Wasserbecken und der Aussicht in die Landschaft ist der Endpunkt einer Sequenz vom Kontrollpunkt des Einganges her. Die Höhendifferenz der dreigeschoßigen „Platte“ ist zu überwinden, um dann tatsächlich auf dem Platz anzukommen.
Im Laufe der zahlreichen Vorprojekte und Entwurfsstadien, die von den funktionalen Notwendigkeiten des ORF stark geprägt waren, ist erkennbar wie das große TV-Theater, das anfangs noch im Zentrum der Anlage saß, langsam nach Süden auf die „öffentliche Seite“ wandert und wie vor dem großen Verwaltungsriegel der repräsentative „öffentliche“ Vorplatz entsteht. Dieser auf der 3-geschossigen Platte, erhöht liegende Vorplatz bietet einerseits die oben genannte Aussicht, als auch die Zugangsmöglichkeiten zum großen Sendesaal (TV-Theater) mit dem Publikumsverkehr sowie zum Hauptriegel.
Der Vorplatz mit dem großen Riegel, das spiegelnde Wasserbecken, das TV-Theater und das expressiv gestaltete Hörfunkstudio stellen den vollen Repräsentationscharakter dieser öffentlichen Seite dar und dienen als Symbol des Aufbruchs und der Neupositionierung des ORF.
Die „dienende Seite“ war aufgrund verschiedener organisatorischer und funktioneller Fragen der Betriebsführung des ORF im Laufe der drei Vorentwürfe, jene Seite, die am stärksten von Veränderungen geprägt war.
Insbesondere musste das Konzept an den laufenden Betrieb und an die alte Kasernenstruktur angepasst werden. An dem Ausschnitten ist die Überschneidung des Neubaus mit der alten Kasernenstruktur gut zu erkennen.
Räumliche Organisation – Technische Infrastruktur
In allen Beschreibungen zum ORF Zentrum wird sowohl von Roland Rainer selbst, auch vom Generalintendanten des ORF die wirtschaftliche Betriebsführung als der zentrale Kennwert der inneren Organisation angeführt.
Das ORF Zentrum ist hinsichtlich seiner elektronischen und elektrotechnischen Ausrüstung, den Verkehrswegen und der Baugestaltung so geplant, daß ein Höchstmaß an wirtschaftlicher Betriebsführung erzielt werden kann …
Um das permanente Gespräch zwischen dem ORF als Auftragsgeber und Planungskontraktoren in geregelten Bahnen zu führen, waren verschiedene organisatorische Maßnahmen zu treffen. Zur Koordinierung der technischen Planung wurde ein Komitee ORF-Zentrum Wien geschaffen, dessen Vorsitz der Gesamtbeauftragte OFR Zentrum Wien innehatte, und das bis in den Spätherbst 1969 in zahlreichen Subkomitees alle technischen Details klärte …
Blieben im Bereich des Komitees ORF-Zentrum Wien Fragen offen, kam es dadurch zu Abweichungen von den Planungsrichtlinien, mußten Finanz- und Terminfragen diskutiert werden, trat das Management Komitee in Aktion, dessen Vorsitz der kaufmännische Direktor führte und in schwerwiegenden Fragen die Entscheidung des Genrealintendanten einholte.“
In diesen Komitees wurden vor allem die Raumprogramme entwickelt, und die Entwürfe hinsichtlich ihrer Wegeführung und Einbindung der Technikkomponenten überprüft.
Räumlich gesehen führt Roland Rainer die zentralen Geräteräume als technisches organisatorisches Zentrum an, wenn man sich jedoch die Grundrisse ansieht, und die Kollektorgänge im 1. UG + 2. UG entlanggeht, versteht man, dass hier das eigentlich technische Rückgrat des Gebäudes und seiner Sendetechnik sitzt.
Die in der „Platte“ sitzenden Kollektorgänge (1. + 2. UG) ermöglichen die horizontale Verteilung der technischen Infrastruktur und gestatten den darauf sitzenden Gebäude an diese Infrastruktur anzudocken.